Weshalb deutsch-israelische Literaturtage?

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Biografien der Autorinnen und Autoren

Wir eröffnen heute die 12. Staffel der Deutsch-Israelischen Literaturtage, die im jährlichen Wechsel in Tel Aviv und Berlin stattfinden. Darauf sind wir ein bisschen stolz. Was wir bei der Premiere im März 2005 zur Begründung dieses Projekts geschrieben haben, gilt immer noch:

Es soll die Entwicklung von Kultur und Politik beider Länder im Spiegel der Literatur reflektieren. Und es soll ein Forum bieten, die wechselseitige Wahrnehmung zu schärfen: den Blick für das Vertraute und das Fremde, das Gemeinsame und das Trennende. Ja, auch das Trennende. Die Geschichte des großen Judenmords verbindet uns und trennt uns; die Perspektiven von Tätern und Opfern sind nicht kommensurabel.

Auch in der Gegenwart gibt es Gemeinsames und Trennendes. Israel beruft sich auf die gleichen Werte des Rechtsstaats und der Demokratie wie die Bundesrepublik, es ist ein modernes High-Tech-Land und versteht sich in vieler Hinsicht als Teil des Westens. Und doch ist die israelische Realität eine andere. Nicht nur geographisch, obwohl sich aus der Lage Israels mitten im Nahen Osten vieles erklärt. Verglichen mit Israel leben wir in Deutschland immer noch auf einer Insel der Stabilität und des Friedens.

Israel tickt anders, wenn es um das Selbstverständnis als Nation und die Bedeutung des Nationalstaats geht, um die Rolle der Religion, die Bereitschaft zur militärischen Selbstverteidigung und die Härte, mit der die Auseinandersetzung um Land und Sicherheit geführt wird.

Statt vorschnell zu urteilen und uns in die Pose der moralischen Überlegenheit zu werfen, die uns Deutschen besonders schlecht ansteht, geht es ums Zuhören, nachfragen und miteinander reden. Dafür wollen wir an diesen drei Tagen die Bühne bereiten.

Dabei wird sich einmal mehr die Streitlust und Vielstimmigkeit der israelischen Gesellschaft zeigen – und die kritische Selbstbefragung, die dort so ausgeprägt ist wie in kaum einem anderen Land. Das ist jedenfalls meine Erfahrung – trotz des wachsenden Drucks, dem kritische Intellektuelle und NGO’s heute in Israel (wie in vielen anderen Ländern) ausgesetzt sind.

Die besondere Verpflichtung Deutschlands gegenüber Israel gehörte bisher zum Grundkonsens der Bundesrepublik. Dieser Konsens bröckelt. Vielfach wird Israel nur noch aus dem Blickwinkel der Besatzungspolitik wahrgenommen. Es liegt eine spürbare Genugtuung darin, Israel zu verdammen. Das entlastet unser schlechtes Gewissen.

Je mehr der Holocaust in die Vergangenheit rückt, desto mehr braucht es deutsch-israelische Brücken im Hier und Jetzt. Kunst und Kultur kann eine solche Brücke sein. Das Interesse an israelischer Literatur in Deutschland ist ungebrochen, das zeigt auch die Resonanz auf diese Veranstaltung.

Zugleich schwinden die Vorbehalte gegenüber Deutschland bei der jüngeren Generation in Israel. Es gibt einen regen Pendelverkehr zwischen Tel Aviv und Berlin, wo Tausende von jungen Israelis eine vorübergehende oder dauerhafte Bleibe gefunden haben. Ich hoffe, ein paar von ihnen sind auch bei den Veranstaltungen dieser Tage an Bord.

Eine Aufgabe der Deutsch-Israelischen-Literaturtage liegt darin, bekannte mit weniger bekannten Autorinnen und Autoren zusammenzubringen. Auf der Namensliste der Auftaktveranstaltung 2005 finden sich auf israelischer Seite neben Amos Oz und Yoram Kaniuk auch Dorit Rabynian und Etgar Keret. Damals galten die beiden noch als aufstrebende Talente, dieses Jahr kommen sie als Stars wieder. Wir wollen auch heuer eine Bühne für Talente sein, die noch nicht jeder kennt, die zu lesen und zu hören aber unbedingt lohnt.

Das Generalthema der diesjährigen DIL – Neuland – verweist auf die Erfahrung von Flucht und Migration, von Abschied und Ankommen.

Israel ist ein Staat, der von Emigranten und Flüchtlingen aufgebaut wurde. Der Zionismus ist älter als der Holocaust, aber es war die Vertreibung und Vernichtung der europäischen Judenheit, die den letzten Anstoß zur Gründung eines jüdischen Staats gegeben hat. Gleichzeitig ist die Gründung Israels mit Flucht und Vertreibung einer großen Zahl von Arabern verbunden – als Ergebnis eines Krieges, der darauf abzielte, Israel zu vernichten und die Juden wieder aus Palästina zu vertreiben. Dieser Grundkonflikt schwelt bis heute.

Seither hat es immer neue Etappen jüdischer Einwanderung nach Israel gegeben. Wir können einiges lernen, wie die Integration von Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und Lebensform gelingt. Konfliktfrei verläuft sie auch in Israel nicht. Ich bin gespannt auf die vielen Facetten von Zugehörigkeit und Fremdheit, die in den Texten und Gesprächen zum Ausdruck kommen werden und wünsche uns alle drei interessante und unterhaltsame Tage der deutsch-israelischen Literatur.